Brief des sorbischen Laienchores „MEJA“
aus Radibor (sorb. Radwor) an
Prof. Dr. Kurt Biedenkopf.
Dieser Chor genießt hohe Anerkennung für sein unermüdliches Wirken als kultureller Botschafter seines Volkes - auch in den Zeiten größter nationaler Unterdrückung und Verfolgung durch die Nationalsozialisten -.
Zahlreiche Tonträgereinspielungen dokumentieren die hohe künstlerische Reife und bleibenden Verdienste dieses Chores.
Volkschor „MEJA“ Radibor e. V.
Alojs-Andricki-Straße 2
02627 RadiborRadibor, den 10.01.2000
Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
Herr Prof. Dr. Kurt Biedenkopf
Archivstraße 1
01095 Dresden
Antwortschreiben der
Sächsischen Staatskanzlei
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

der sorbische Volkschor „MEJA“ in Radibor (bei Bautzen) hat auf seiner Jahreshauptversammlung am 06.01.2000 mit großer Sorge die vom Kultusminister Herrn Rößler beabsichtigte Schließung sorbischer Schulen diskutiert.
Als ältester sorbischer Chor (gegründet 1895) pflegen wir nicht nur das sorbische Liedgut, sondern fühlen uns auch der Stärkung des sorbischen Nationalbewußtseins und dem Kampf um die Erhaltung der sorbischen Sprache verpflichtet.
Das sorbische Schulwesen ist eine der wichtigsten Säulen zur Wahrung der sorbischen Sprache der zukünftigen Generationen. Wer diese Säule beschädigt oder sogar entfernt, macht sich zum Totengräber eines ehemaligen großen slawischen Volkes auf deutschem Boden.
Dass sich das gegenwärtige freiheitliche Deutschland, als eines der reichsten Länder der Welt, aus ökonomischen Gründen anschickt, diese Totengräberfunktion zu übernehmen, wird als letztes Glied einer Vielzahl von gewaltsamen Assimilierungsmaßnahmen der deutschen Regierungen vergangener Jahrhunderte in die Geschichte eingehen.
Selbstverständlich trifft die geringe Geburtenrate vergangener Jahre auch die Sorben. Es ist jedoch verhängnisvoll für uns, wenn das sorbische Schulwesen mit den gleichen Maßstäben gemessen wird, wie die deutschen Schulen.
Wir benötigen gesetzlich verbriefte Sonderregelungen für unsere Schulen, die es uns ermöglichen, Schulklassen mit geringer Schülerzahl an den jetzt vorhandenen Schulstandorten aufrecht zu erhalten.
Wir bitten Sie inständig, den verhängnisvollen Weg des Kultusministeriums zur Schließung sorbischer Schulen zu stoppen, damit dem deutschen Volk dieser wundersame slawische Farbtupfer in der Lausitz erhalten bleibt.

Im Namen von 30 Sängern des Volkschores „MEJA“ Radibor e.V.

Hochachtungsvoll
gez. Jan Nuck
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